Würzburg (POW) „Ich habe noch nie so viele Fürbitten formuliert wie damals.“ Mit diesen Worten beschrieb Harald Patzelt, Gründungsmitglied der Diözesane Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen caritativer Einrichtungen (DIAG) und heute als Leiter des Überregionalen Beratungszentrums des Sozialdienstes der katholischen Frauen in Würzburg auf Dienstgeberseite, die Entstehungsgeschichte der Arbeitsgemeinschaft vor zwanzig Jahren. Humorvoll schilderte er den über 200 Gästen die schwere Geburt des nicht immer geliebten Kindes DIAG. Die Caritas-Dienstgeberseite musste sich Anfang der 80er Jahre erst an eine selbstbewusste Organisation ihrer Beschäftigten gewöhnen. Mehr als einmal fiel das Wortspiel Mitarbeitervertretung (MAV) ist gleich MAV(F)IA. Mit Prälat Heinrich Schultes, dem damaligen Vorsitzenden des Caritasverbandes, kommunizierte die MAV über die Messe. Schultes versuchte die neue DIAG bei der Eröffnungsveranstaltung mit der Predigt in ihre Schranken zu weisen. Die Retourkutsche kam bei den Fürbitten durch die MAV´ler. „Doch der kleine Umweg über den lieben Gott wird zu den größten Sünden der DIAG gehört haben.“
In einer Podiumsdiskussion über arbeitsrechtliche Vor- und Nachteile des kirchlich-caritativen Arbeitssystems standen sich abschließend Dienstgeber und Dienstnehmer gegenüber. Domkapitular Dietrich Seidel, Vorsitzender des Caritasverbandes, genoss noch eine gewisse Schonfrist. Doch er unterstrich nachdrücklich seine Bereitschaft zu einem partnerschaftlichem Dialog mit allen Beschäftigten. Caritasdirektor Franz Stephan appellierte an alle, „aufeinander zuzugehen und nicht in Festungen zu verharren“. Das kirchliche Tarifwerk AVR wollte er zwar nicht in Frage stellen, betonte jedoch, dass die meisten Caritas-Einrichtungen im Jahr 2002 defizitär abschließen würden. AVR sei daran zwar nicht allein schuld, habe aber einen erheblichen Anteil und erschwere der Caritas gegenüber tarifungebundenen privaten Einrichtungen den Wettbewerb.
Peter Hartlaub, Betriebsseelsorger aus Schweinfurt, sah klare Vorteile des öffentlichen Betriebsverfassungsgesetzes gegenüber dem kirchlichen System. Rechte und Pflichten beider Tarifparteien seien hier deutlicher reguliert, und es existiere nicht wie im kirchlichen Bereich die ungünstige Personalunion zwischen Gesetzgeber und Dienstgeber. „Das kirchliche Modell ist ein Sparmodell, das sich auf das Nötigste beschränkt“, sagte Hartlaub. Genau das kritisierte auch Günter Däggelmann, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen. „Es geht nicht an“, unterstrich Däggelmann, „dass man bei Verhandlungen mit der Dienstgeberseite den selben Institutionen und Personen gegenübersitzt, die auch die entsprechenden Verordnungen erlassen haben“. Das kirchliche Modell habe für ihn mehr Rückwärts- als Vorwärtsgänge. Die Unrechtmäßigkeit der manchmal harten Vorgehensweise kirchlicher Arbeitgeber zeige sich darin, dass 80 Prozent aller Streitfälle von den innerkirchlichen Schlichtungskommissionen zugunsten der Dienstnehmer entschieden würden.
Zu geringe Mitarbeiterrechte kritisierte auch Christof Mock, Vorsitzender der Würzburger DIAG. Die MAV empfinde sich oft als Bittsteller. Zwar gebe es viele gute Dienstverhältnisse, doch die negativen Beispiele hinterließen einen schlechten Geschmack. Der MAV fehle es leider oft an Professionalität und Fachwissen. So könne sie selbst bei Einblick in die Bücher einer Einrichtung oft nicht beurteilen, wie diese wirtschaftlich stehe. Der MAV müsse es gestattet sein, nach Bedarf externen Sachverstand hinzuzuziehen. Ob Bilanzen eine gute oder schlechte Situation widerspiegeln, müsse man den Arbeitgebern einfach glauben, „doch der Glaube richtet sich innerhalb der Kirche nicht an die Arbeitgeber“, sagte Mock mit Blick auf Domkapitular Seidel und Caritasdirektor Stephan. „Behandeln Sie die MAV genauso erwachsen, wie Sie sie haben wollen“, appellierte Däggelmann abschließend an die beiden Dienstgebervertreter.
Die Arbeitsgemeinschaft vertritt heute die Interessen von fast 11.000 Hauptamtlichen aus rund 1000 Caritas-Einrichtungen in der Diözese. Zu ihr gehören große Häuser wie die Missionsärztliche Klinik in Würzburg mit über 900 Beschäftigten genauso wie über 500 katholischen Kindergärten mit ihren Mitarbeiterinnen.
(4602/1482)
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