Lohr am Main/Reimlingen (POW) Nach 91 Jahren trennen sich die Missionare von Mariannhill mit Ende des Schuljahrs 2002/2003 von ihrem Studienseminar Aloysianum in Lohr am Main (Landkreis Main-Spessart). Dies teilte die Ordensgemeinschaft „mit großem Bedauern“ am Sonntag, 5. Januar, mit.
Nach Angaben der Mariannhiller Missionare entstand der Beschluss beim jüngsten Provinzkapitel am 3. und 4. Januar in Reimlingen nach langen und verantwortungsvollen Debatten über weitere Lösungen zur Fortführung des Lohrer Studienseminars. Die Delegierten des oberstes Leitungsgremiums der Missionskongregation in Deutschland hätten vor allem die Zukunft der 14 Schüler sowie der sieben Angestellten und fünf Mariannhiller im Blick gehabt, die derzeit im Aloysianum leben. Die weitere Verwendung des Hauses sei noch offen. Die Provinzleitung der Missionare von Mariannhill in Deutschland werde in den nächsten Wochen dazu Gespräche führen.
Dass es um die Zukunft des Aloysianums nicht gut bestellt ist, zeichnete sich schon vor Jahren ab. Der plötzliche Tod des langjährigen Leiters des Studienseminars, Pater Robert Bertelwieser, im September 2001 veranlasste die Ordensleitung, über das weitere Schicksal der Einrichtung nachzudenken. Im vergangenen Jahr hatte man Schüler, Eltern, Angestellte sowie Ordensangehörige über eine mögliche Schließung informiert. Aufgrund der personellen Situation innerhalb des Ordens war es den Verantwortlichen klar, dass man keinen weiteren Institutsleiter stellen könne, der den heutigen pädagogischen Anforderungen entspricht.
Die Vereinigung der Freunde und Förderer des Aloysianums Lohr am Main unterstützte die Ordensleitung bei ihrer Suche nach Lösungen. Sie schlug vor, den Fortbestand des Aloysianums durch Errichtung einer Stiftung finanziell zu sichern. In den Debatten des Provinzkapitels wurde nach Angaben der Mariannhiller Missionare jedoch deutlich, dass die Kongregation in Deutschland Mühe hat, ihren Anteil am Stiftungskapital aufzubringen. Auch andere Konzepte zur Finanzierung der Einrichtung seien nicht gefunden worden. Die überfälligen Renovierungsarbeiten im Gebäude sowie die Beschäftigung von qualifizierten Pädagogen für eine zeitgemäße und attraktive Betreuung der Schüler können laut Provinzkapitel durch alle vorgebrachten Finanzierungspläne nicht sicher gestellt werden.
Die Vorschläge gingen jeweils davon aus, dass die stark geschrumpfte Schülerzahl von derzeit 14 auf rund 50 angehoben werden müsse, um die Einrichtung zu tragen. Angesichts der zurückgehenden Nachfrage nach kirchlichen Internaten in Deutschland erschien dies den Delegierten des Provinzkapitels nur schwer realisierbar.
Als älteste Niederlassung der Missionare von Mariannhill in Deutschland ist das Studienseminar Aloysianum eng mit der Geschichte des Ordens verknüpft. Über 166 Ordenspriester, darunter viele Missionare von Mariannhill, wurden in den vergangenen 91 Jahren im Aloysianum ausgebildet. Seit seiner Gründung stand das Schülerheim im Dienst der Jugend und der missionarischen Kirche. Eine Konviktsgesellschaft unter Federführung des Mariannhillerpaters Notker Vorspel eröffnete es 1911 als „Konvikt Aloysianum“. 1938 erlebte das Aloysianum in der Nacht vom 10. auf den 11. April seine dunkelste Stunde. Schergen des Hitler-Regimes griffen das Haus an, warfen Fensterscheiben ein und nahmen den Direktor und Präfekten des Seminars in Schutzhaft. 1941 wurde das Seminar auf Anordnung der Nationalsozialisten geschlossen. Sieben Jahre später wurde das Haus nach zähen Verhandlungen wieder eröffnet. In den Jahren 1948 bis 1961 hatten jährlich zwischen 80 bis 120 Schüler ihre Heimat in dieser Einrichtung. 1962 kam es zur Gründung der „Vereinigung der Freunde und Förderer des Aloysianums Lohr a.M. e.V.“. Ihr gehören heute über 430 Mitglieder an.
(0203/0013)
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